Stefan Micheler

"... eben homosexuell, wie andere Leute heterosexuell."
Der Fall Heinrich Erich Starke



Übersicht
  • Zusammenfassung / Summary
  • Einleitung
  • Biographie, Mitgliedschaft beim Bund für Menschenrecht und Freundeskreis
  • Verhalten bei den Verhören – Zeugnis einer selbstbewußten homosexuellen Identität
  • Denunziationen aus der Bevölkerung
  • Schutzhaft, Gefängnis und Konzentrationslager
  • Nachweis

  • Zusammenfassung / Summary zur Übersicht

    Zusammenfassung der Redaktion
    der Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland

    Stefan Micheler: "… eben homosexuell, wie andere Leute heterosexuell." Der Fall Heinrich Erich Starke

    Wie stark der Einschnitt der Diskriminierung und Verfolgung ab 1933 im Vergleich zu der Situation homosexueller Männer und Frauen in den 20er Jahren war, zeigt die Biographie Heinrich Erich Starkes. Anhand seiner Lebensgeschichte zeigt der Artikel exemplarisch den Übergang von der Situation gleichgeschlechtlich orientierter Männer in der Weimarer Republik hin zu den Verfolgungs- und Vernichtungsmaßnahmen im Nationalsozialismus dar.
    Als aktives Mitglied von Emanzipations- und Freizeitverbänden gleichgeschlechtlich orientierter Männer in der Weimarer Republik hatte Heinrich Erich Starke eine positiv besetzte homosexuelle Identität, die er den nationalsozialistischen Verfolgern gegenüber auch selbstbewußt vertrat. In ausführlichen Zeugnissen legt der Autor dar, wie die Verfolgung Starkes nach und nach begann und wie er zu unterschiedlichen Zeitpunkten in verschiedenen Weisen darauf reagierte.

    Summary by the editor of
    Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland

    Stefan Micheler: "... well, homosexual, the way other people are heterosexual." The case of Heinrich Erich Starke

    The biography of Heinrich Erich Starke demonstrates the clear watershed in terms of discrimination and persecution that came in 1933 when compared with the situation for homosexual men and women in the 20es. Using examples from Starke's life story, the article traces the transition from the situation for homosexual men in the Weimar Republic to the persecution and destruction rife under National Socialism.
    As an active member of emancipation and social groups for man with a homosexual orientation in the Weimar Republic, Heinrich Erich Stark, had a positive homosexual identity, which he asserted confidently in the face of his Nazi persecutors. In detailed testimony, the author recounts how Starke's persecution gradually began and how he reacted at various times and in a variety of ways.

    Einleitung zur Übersicht

    Am Abend des 16. Juni 1938 wartete Heinrich Erich Starke im Zimmer seines 70jährigen Freundes August Hünfeldt auf diesen. Hünfeldts Vermieterin, die 24jährige Herta V., [1] hatte ihn in die Wohnung gelassen und gesagt, daß Hünfeldt gleich zurückkäme. Sie sperrte Starke, von diesem unbemerkt, in Hünfeldts Zimmer ein und verständigte die Polizei, die Starke wegen Verdachts auf "widernatürliche Unzucht" – so lautete der im § 175 formulierte Straftatbestand mannmännlicher Sexualhandlungen – mit zur Wache nahm. Hünfeldt war bereits zwei Tage zuvor von V.s Ehemann, dem 27jährigen Fuhrunternehmer Willi V., wegen homosexueller Handlungen bei der Polizei denunziert worden. Für Starke war dies mindestens das fünfte Mal, daß er wegen seiner gleichgeschlechtlichen Orientierung in die Hände des staatlichen Verfolgungsapparats geraten war. Im Gegensatz zu den früheren Festnahmen, Inschutzhaftnahmen und Verurteilungen gelangte er nie wieder in Freiheit und wurde am 28. Juni 1942 im KZ Neuengamme ermordet.

    Starke ist einer der schätzungsweise 3.500 Männer,[2] die in Hamburg während der NS-Zeit wegen gleichgeschlechtlicher Sexualhandlungen verurteilt wurden.[3] Er gehört zu denjenigen Männern, die besonders aus den Akten der Verfolgungsapparate hervortreten: Starke war aktives Mitglied der Emanzipations- und Freizeitverbände gleichgeschlechtlich orientierter Männer und Frauen der Weimarer Republik, war auch nach 1933 im Interesse der Rechte gleichgeschlechtlich orientierter Männer aktiv und hatte eine positiv besetzte homosexuelle Identität, die er selbstbewußt gegenüber den Verfolgern vertrat. Überliefert ist ein Teil seiner Biographie und seiner Tätigkeiten in mehreren Akten der Staatsanwaltschaft Hamburg, die die Akten für alle Instanzen der staatlichen Strafverfolgung (Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte, Gefängnisse) und diesen zuarbeitenden Organen (z.B. Gesundheits- und Jugendamt) archivierte und bei Anfrage zur Verfügung stellte; auch Verfolgungsbehörden anderer Städte, NS-Gliederungen, die Wehrmacht, die Kriminalbiologische Sammelstelle, andere Behörden, aber auch Arbeitgeber und Berufsverbände konnten umstandslos Auskünfte aus den Akten erhalten.[4]

    Die Akten enthalten neben den Verhören der Polizei, der Anklageschrift und dem Urteil oft auch Hinweise auf die Gefängnis- oder Zuchthaushaft, medizinische Gutachten, Äußerungen der "Gerichtshilfe" bzw. "Ermittlungshilfe der Strafrechtspflege" sowie Briefe, Fotos oder andere persönliche Gegenstände der Angeklagten. Männer, die die Polizei wegen des Verdachts "widernatürlicher Unzucht" verhörte, wurden seit dem Sommer 1936 nach einem klar gegliederten Schema befragt: "Zur Person", "Zur geschlechtlichen Veranlagung" und "Zur Sache", so daß in der Regel die Biographien der Männer seit dem Kaiserreich oder der Weimarer Republik überliefert sind – oft mit ausführlicher Schilderung ihrer bisherigen gleichgeschlechtlichen Handlungen und unter Nennung von Partnern. Dieses klar gegliederte Verhörschema wurde von einem im Juli und August 1936 in Hamburg tätigen Sonderkommando Nord des Geheimen Staatspolizeiamts aus Berlin eingeführt, das im noch preußischen Altona ansässig war.[5]

    Mit dem Auftreten der preußischen Gestapo in Altona gingen auch die Entmachtung des Chefs der Hamburger Sittenpolizei, des ehemaligen SPD-Mitglieds Kriminaloberinspektor Rudolf Förster, und der bis zu diesem Zeitpunkt für die Verfolgung Homosexueller zuständigen Abteilung F 36 der Hamburger Kriminalpolizei sowie eine massive Verschärfung der Verfolgung gleichgeschlechtlich orientierter Männer in Hamburg einher.[6] Förster wurde am 24. Juli 1936 unter dem Vorwurf der Bestechlichkeit in Schutzhaft genommen und auf diese Weise langfristig aus dem Polizeidienst entfernt.[7] Bestechlichkeit war ein oft substanzloser Vorwurf, mit dem im Nationalsozialismus viele unliebsame höhere Polizeibeamte ihrer Funktion enthoben wurden.[8]

    Rudolf Förster, Jahrgang 1879, hatte im November 1932 mit Genehmigung der Innenbehörde eine Broschüre für alle beruflich mit Sexualdelikten befaßten Personen herausgegeben, in der er unter anderem versuchte, zu einer Rationalisierung des Diskurses über Homosexualität beizutragen. Homosexualität sei keine Krankheit, sondern ein abweichendes Verhalten; es sei auch falsch zu behaupten, Homosexuelle neigten zu kriminellen Handlungen. Er unterschied aber zwischen den "guten" Homosexuellen, die monogam lebten und sich in Verbänden organisierten, und den "schlechten" Homosexuellen, die polygam lebten und ihre Sexualpartner in den öffentlichen "Bedürfnisanstalten" suchten. Diese Homosexuellen zögen Strichjungen an, wo Strichjungen seien, da sei auch Kriminalität.[9] Folglich wurde die Broschüre in der letzten Ausgabe des "Freundschaftsblatts", einer der Zeitschriften gleichgeschlechtlich orientierter Männer der Weimarer Republik, im Februar 1933 sehr positiv besprochen.[10] Geprägt war Försters Einstellung sicherlich auch durch die freundschaftlichen Verhältnisse, die er zu verschiedenen gleichgeschlechtlich orientierten Männern aus der oberen Mittelschicht und aus Künstlerberufen unterhielt.[11] Entsprechend war die Ermittlungsarbeit der Kripo gewesen: Razzien hatte es nur in Stricherlokalen und in öffentlichen Bedürfnisanstalten gegeben; ansonsten ging man nur gestellten Anzeigen nach. Die "Homosexuellen-Lokale" waren in Hamburg 1933 im Gegensatz zu vielen preußischen Städten nicht geschlossen worden.[12]

    Ob das Erscheinen der Gestapo-Beamten aus Berlin seine Ursache darin hatte, daß es in Hamburg bisher keine massive Verfolgung gleichgeschlechtlich orientierter Männer gegeben hatte, ließ sich bisher nicht ergründen. Der Leiter des Gestapo-Sonderkommandos, der 39jährige Kriminalkommissar Gerhard Günther Kanthack, gab nur an, daß ein Erpressungsfall die Einheit nach Hamburg geführt hätte und man dann festgestellt habe, daß "eine ganze Reihe von Verkehrslokalen der Homosexuellen" in Hamburg nicht geschlossen worden sei.[13] Dies ist vermutlich nur ein Teil der Wahrheit. Fest steht jedoch, daß die Berliner Gestapo zur Zeit der Olympiade 1936 in Hamburg tätig war, also zu einem Zeitpunkt, als sich die nationalsozialistische Regierung der Weltöffentlichkeit und den vielen zur Olympiade angereisten Ausländerinnen und Ausländern in Berlin als modern, tolerant und weltoffen präsentieren wollte und dementsprechend keine Verfolgungsmaßnahmen in der Hauptstadt des Deutschen Reiches durchgeführt werden sollten.[14]

    Hingegen fanden am 24. Juli 1936 in Hamburg größere Razzien statt, die zur Schließung von vier bekannten "Homosexuellen-Lokalen" und zur Festnahme einer Vielzahl von Männern führten. Durch zahlreiche Verhöre konnte die Gestapo immer mehr gleichgeschlechtlich orientierte Männer ermitteln, die ihrerseits teilweise wieder zahlreiche Partner angaben. Bei der Staatsanwaltschaft sorgte ein Sonderdezernent, Staatsanwalt Siemßen, für die umgehende Anklage der Männer vor dem Amtsgericht als Schöffenschnellgericht. Das Gericht verhängte zu diesem Zeitpunkt oft drakonische Strafen, die sich in ihrer Höhe deutlich von bisherigen Urteilen unterschieden. Diese Maßnahmen wurden der Öffentlichkeit über die Presse mitgeteilt.[15]

    Die Hamburger Gestapo, die im September 1936 die Ermittlungen gegen Homosexuelle vom preußischen Sonderkommando übernahm, und ab Sommer 1937 auch die Hamburger Kriminalpolizei, die nun wieder für die Verfolgung Homosexueller zuständig war, übernahmen sowohl die rigide Verfolgungspraxis als auch das Verhörschema von den Berliner Kollegen. Das Verhörschema wurde auch in der Zeit nach 1945 weiterverwendet.[16]

    Durch die vielen unterschiedlichen Texte in den Akten der Staatsanwaltschaft, insbesondere auch durch die von den Festgenommenen erzwungenen Selbstauskünfte, können die Biographien der gleichgeschlechtlich orientierten Männer mehr oder weniger deutlich und ausführlich ergründet werden, auch wenn die Männer ein Interesse daran hatten, den Verfolgungsinstanzen möglichst viel zu verschweigen, um sich nicht zu belasten, und die Quellen oftmals durch den Blick der Verfolger geprägt sind. Trotzdem sind viele der Quellen als Selbstzeugnisse oder "Ego-Dokumente" (Winfried Schultze) der Opfer der Verfolgung anzusehen.[17]

    Anhand des Schicksals von Heinrich Erich Starke sollen in diesem Beitrag exemplarisch verschiedene Aspekte des Lebens und der Verfolgung gleichgeschlechtlich orientierter Männer in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus deutlich gemacht werden.[18]

    Biographie, Mitgliedschaft beim Bund für Menschenrecht und Freundeskreis zur Übersicht

    Heinrich Erich Starke wurde am 30. Mai 1901 in Wilhelmshaven geboren und wuchs in der Familie eines Schuhmachers bei Adoptiveltern auf.[19] Nach Abschluß der 8jährigen Volksschule wurde er "Volonteur" in einem Hausstandsgeschäft. Im letzten halben Jahr des Krieges wurde er zum Hilfsdienst verpflichtet und arbeitete bei der Kriegsmarine im Büro. 1919 war er in Gnoien in Mecklenburg als Verkäufer tätig. 1920 ging er nach Hamburg und war hier fortan für verschiedene Firmen als Reisevertreter im norddeutschen Raum tätig. Zwischen 1930-35 war er überwiegend erwerbslos.[20]

    Schon während seiner Pubertät, die "bereits mit 14 Jahren auf[trat]", scheint Starke sich darüber klargewesen zu sein, "daß mein Triebleben mich zum Manne drängte." Im Verhör am 17. Juni 1938 beim 24. Kriminalkommissariat bezeichnet er sich als "homosexuell veranlagt" und teilt mit, daß er nie Geschlechtsverkehr mit Frauen gehabt habe und auch nie "Interesse für Frauen" hatte. Ob der Wunsch, seine gleichgeschlechtliche Orientierung entfalten zu können, Starkes Motivation war, als 19jähriger nach Hamburg umzuziehen, geht aus seinen Aussagen nicht hervor. Er besuchte aber bereits 1920 eine Veranstaltung der gerade gegründeten Ortsgruppe des "Deutschen Freundschaftsverbandes". Ob er bereits zu diesem Zeitpunkt Mitglied dieses Vereins gleichgeschlechtlich orientierter Männer und Frauen wurde oder erst später eintrat und wie er Kenntnis von der Existenz des Verbands erhielt, etwa durch ein Inserat, ist nicht überliefert.

    Die Freundschaftsverbände gleichgeschlechtlich orientierter Männer und Frauen, die sich seit dem Sturz der Monarchie im Deutschen Reich bildeten, verstanden sich im Gegensatz zu den bereits im Kaiserreich bestehenden elitären Vereinigungen, dem 1897 gegründeten "Wissenschaftlich-humanitären Komitee" (WhK) und der 1903 gegründeten "Gemeinschaft der Eigenen" (GdE) –als Vereine, die allen gleichgeschlechtlich orientierten Männern und Frauen offenstehen sollten. Ihre Aufgaben und Ziele sahen die Verbände sowohl in politischer als auch in kultureller Hinsicht. So trat man insbesondere für die Abschaffung des § 175 ein, bot rechtliche Beratung und Hilfe bei Erpressungsversuchen an, organisierte aber auch "gesellige Abende" und Tanzveranstaltungen, Wanderungen und andere Freizeitaktivitäten; von besonderer Wichtigkeit waren hierbei auch die verschiedenen Zeitschriften, die von den Verbänden herausgegeben wurden. Die regionalen Freundschaftsverbände schlossen sich 1920 zum "Deutschen Freundschaftsverband" (DFV) als Dachverband zusammen. 1922 benannte sich der DFV in "Bund für Menschenrecht" (BfM) um, aber schon 1924 gab es wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Ziele und die Führung des Verbands Versuche, den DFV neu zu gründen.[21]

    Die Verbände waren gleichzeitig ein Freiraum, der auch die Möglichkeit bot, Freundschaften zu schließen. So lernte Starke 1920 seinen ersten Freund, den gleichaltrigen kaufmännischen Angestellten Franz Aps, mit dem er "über mehrere Jahre" "ein festes Verhältnis" hatte, auf einer Veranstaltung des DFV kennen. Von Vorteil für die beiden war, daß Aps im Gegensatz zu vielen anderen gleichgeschlechtlich orientierten Männern über eine eigene Wohnung verfügte, in der die beiden ungestört von einer neugierigen und oft diskriminierenden Öffentlichkeit waren. Viele andere gleichgeschlechtlich orientierte Männer lebten zur Untermiete, bei ihren Eltern oder mit ihren Familien, so daß sie oft nicht einmal in den eigenen vier Wänden offen und unbefangen ihre Freundschaft gestalten und ihre Sexualität ausleben konnten. Das einzige, was Starke über diese Beziehung außerdem erwähnte, waren gemeinsame Wanderungen mit Aps. Ab 1925 hatte Starke dann ein "festes Verhältnis" mit dem gleichaltrigen Kaufmann Juan Jacobsen, der 1930 verstarb.

    Starke scheint ein sehr aktives Mitglied des BfM gewesen zu sein, so gehörte er zum Beispiel dem Festausschuß an, der regelmäßig größere Feiern und Bälle ausrichtete. Auch nach der Auflösung des Verbands 1933 war er noch aktiv. Beispielsweise erkundigte er sich 1935 nach der Verschärfung des § 175 bei Kriminaloberinspektor Förster, "wie Homosexuelle sich jetzt verhalten sollten. Ja, er hat sogar nach Einführung der Wehrpflicht [16. März 1935, St.M.] einen Brief an den Reichskriegsminister geschrieben und um Verhaltensregeln für die Homosexuellen gebeten."

    Laut dem hier Urteil vom 17. Februar 1938 war Starke auch im Besitz einer "Fülle von Material", "aus dem sich ergibt, mit welcher Intensität jedenfalls in früheren Jahren [er] sich für die Homosexuellen eingesetzt hat."[22] Das Material wurde bei der Verhaftung beschlagnahmt. Leider wurde die Akte bereits während der NS-Zeit ausgedünnt, so daß kaum Hinweise überliefert sind, welche Materialien, Zeitschriften, Korrespondenz etc. Starke in seinem Besitz hatte. Überliefert sind aber zwei Gedichte, eine Postkarte und zwei Briefe von Starke sowie die Schilderung einer (fiktiven?) Hochzeit zweier Männer, teilweise in Akten anderer Männer.

    Im Juli 1934 wurde Starkes Freund, der zu diesem Zeitpunkt 58jährige Hugo Frischmeyer verhaftet. Starke kümmerte sich gemeinsam mit einem Herrn B. und einer Frau J., vermutlich die Vermieterin Frischmeyers, um Frischmeyer und versuchte den Kontakt durch Briefe und Postkarten aufrechtzuerhalten, die allerdings von der Gefängnisverwaltung abgefangen und an die Staatsanwaltschaft weitergereicht wurden – weswegen sie heute überliefert sind.

    Auf einer Postkarte vom 30. August 1934 teilte Starke mit, daß Post von anderen an Frischmeyer wohl nicht angekommen sei, und sagt zu, sich um Frischmeyers Wäsche zu kümmern. Er rät ihm aber auch, sein Zimmer einstweilen zu kündigen. Ferner berichtet er, daß Heinz Lammers "sein Geschäft seit 5 Wochen allein" führe, gemeint ist das "Homosexuellen-Lokal" "Zu den drei Sternen" in Hütten. Franz sei verreist und man könne nicht erfahren, wann er zurückkomme. Vielleicht handelt es sich bei Franz um einen gleichgeschlechtlich orientierten Mann, der sich der Strafverfolgung entzogen hat. Besonders wichtig war es Starke, mitzuteilen, daß Herr Thode nicht mehr mit ihm verkehre, auch mit Frischmeyer keinen Kontakt mehr wünsche und daher nicht geschrieben habe. Auch habe Thode versucht, ihn bei Frau Dr. M. "rauszudrängen"; er, Starke, verkehre jetzt aber bei Frau Dr. M. öfter als früher, nehme aber nicht mehr an den "Musik-Abenden" teil. " Wir wollen über diese Zurschaustellung seiner wahren Gesinnung fröhlich sein. Alle Freunde sind empört über diesen Komödianten und stehen innerlich zu Dir."[23] Die Postkarte ist eine Antwort auf einen Brief von Frischmeyer vom 12. August 1934.

    In einem Brief Starkes vom 12. Oktober 1934 werden weitere Personen genannt, und insbesondere durch die Verhöre Frischmeyers und Starkes in Folge dieses Briefes ergibt sich ein klares Bild über einen Teil des Umfelds von Starke und Frischmeyer: Thode war Vorstandsmitglied des BfM und nahm mit Starke, Frischmeyer und Herrn B. an einem musikalischen Zirkel in der Wohnung einer Frau Dr. Moll teil. "Die Moll ist verheiratet und hat von unserer Veranlagung keine Ahnung."[24] Diese Aussage Frischmeyers bekräftigte auch Starke. Ferner unterstreichen beide, daß in diesem Bekanntenkreis keine sexuellen Kontakte bestanden hätten, sondern daß es sich "lediglich [um] platonische Zusammenkünfte"[25] gehandelt habe. Der ermittelnde Polizist, sicherlich durch seinen Vorgesetzten Förster geprägt, notierte, daß die Angaben wohl der Wahrheit entsprächen, denn "[e]s liegt in der Art der Homosexuellen, dass sie untereinander gesellschaftlich verkehren, aber sich nicht gegenseitig geschlechtlich befriedigen."[26]

    In seinem Brief vom 12. Oktober 1934 erläutert Starke, welche Briefe von draußen nicht ausgehändigt worden seien und daß Frau J., Herrn B. und ihm Besuchstermine bei Frischmeyer verweigert worden seien. Umgekehrt seien aber alle Briefe von Frischmeyer angekommen. Er berichtet, daß Frau J. und ein Herr P. sich finanziell an einem Paket, das er an Frischmeyer abschicken werde, beteiligt hätten. Darüber, daß der Anwalt Dr. Oskar Lilienfeld Frischmeyer verteidigt, zeigt Starke sich erfreut: "So kann man ja auch einmal bei ihm in die Sprechstunde gehen." Oskar Lilienfeld scheint einer der wenigen Spezialisten bei Prozessen gegen Homosexuelle gewesen und vermutlich auch weiterempfohlen worden zu sein. Da der verheiratete Lilienfeld bereits 1936 im Alter von 44 Jahren an einem Schlaganfall starb, trat er nur in der Frühzeit der Verfolgung Homosexueller als versierter Strafverteidiger in Erscheinung. Ursache des frühen Tods des Anwalts könnte unter anderem der Streß gewesen sein, sich als Jude die Weiterzulassung als Anwalt wegen seines "Frontkämpferstatus" erstritten haben zu müssen.[27] Starke scheint in ihm eine wichtige Unterstützung gesehen zu haben.

    Starke berichtet Frischmeyer auch, daß sein Fall in der Zeitung gestanden habe. Dies war vermutlich der Fall, weil Frischmeyers Verhaftung in engem Zusammenhang mit der Verhaftung eines gleichgeschlechtlich orientierten NSDAP-Mitglieds, Hermann Scheibel (Jahrgang 1889), stand. An dieser Stelle zeigt sich auch die Angst vieler vor einer möglichen Nennung durch Frischmeyer einerseits und die Gerüchteküche andererseits. Das Umfeld in den "Homosexuellen-Lokalen" war angesichts der Verhaftung dreier bekannter gleichgeschlechtlich orientierter Männer offensichtlich in Aufregung geraten. "Und überall erzählt man sich Romane. Heinz Lammers telefonierte sofort an Herrn P. Etl. Damen, die früher bei Hirsch waren, sprachen mit Herrn B. b. Polizei [unleserliche Passage, St.M.]."[28] In einem weiteren Brief vom 22. Oktober 1934 präzisiert Starke den "Szene-Tratsch": "In den Lokalen, laufen z. Zt. über Dich die wildesten Gerüchte um. Du hättest 4 Jahre bekommen, oder Du hättest Dich in Deiner Zelle erhängt. Über soviel Blödsinn und Quatsch muß man lachen, wenn es um Dich nicht so traurig stände. Hoffentl. kommt auch bald endlich eine Klärung."[29]

    In seinem Brief vom 12. Oktober 1934 beleuchtet Starke den Streit mit dem ehemaligen Freund Thode auch näher: "Leider hat Thode Dich in einem Briefe an mich beklagt, aber wünscht in Zukunft keine Verbindung mehr mit Dir. Bei mir ist er rausgeflogen. Es haben sich auch mit mir und Thode häßliche Sachen ereignet. Thode wollte mich schon lange aus dem Kreis von Frau Dr. entfernen. Ich bin freiwillig zurückgetreten, um die Dame zu schonen. Eine Kopie meiner Briefe an Thode wirst Du später lesen. Nenne bitte in Zukunft keine Namen. Es ist doch selbstverständlich, daß man [...] Frau Dr. schonen muß. Daß Du dort auch nicht mehr verkehren darfst, ist hart aber unabänderlich. Der korrekte Thode ist empört u.s.w. Ja, ja, mein alter Junge, so lernt man die Freunde kennen, die mit Hilfe ihres Geldes, sich erotisch in sturmfreier Bude alle Vergnügen leisten, und die dann auf arme Teufel u. Artgenossen, die aus Not gezwungener Weise in die Netze des Gesetzes laufen, mit Steinen werfen. So was ist Künstler u. nannte sich Freund. Alexandra soll auch schon wieder von ihm fort sein. Wenn Du Thodes langen empörenden Brief an mich lesen könntest, Dir bliebe die Spucke weg."[30] Im Verhör bezeichnet Starke Thode als bisexuell und gibt Alexandra als Tanzdame an, die ein Verhältnis mit Thode gehabt habe. Daß es sich hierbei um den Versuch der Entlastung Thodes handelt, wird insbesondere durch den Brief Starkes an Frischmeyer vom 22. Oktober 1934 deutlich, der so wirkt, als sei er nur für die ungewollten Mitlesenden geschrieben: "Dann musste ich eines Briefes wegen, den ich dir schrieb [...], zum Stadthaus. Da ich etl. Namen genannt hatte, hat man viell. geglaubt, ich und unsere gemeinsamen Bekannten hätten von Sch. etwas gewusst, [unleserliche Passage, St.M.] gar nicht zu tun. Gottlob wissen wir nichts, und haben auch nichts damit zu tun. Ich schrieb Dir in diesem Brief, daß Freunde v. Dir nichts mehr wissen wollte, u. mich, durch Dich, aus den mir so teuren Musik-Kreis Dr. M. herausgedrängt hatte. Ich mußte ja schweigen. Die Gesellschaft ist eben die Gesellschaft. Dort darf man eben nicht wissen, daß ein Mensch so veranlagt ist. Gleichwohl, wir wissen, daß diese 'in ihrer Art' keine keuschen Lieschen [unleserliche Passage, St.M.] sind. So wollte ich auch den Hinweis auf Thodes sturmfreie Bude u. seine Tänzerinnen gedeutet wissen. Scheinbar ist man darüber gestolpert. Unsere Harmlosigkeit oder diese in diesem Brief von mir ausgegebenen Notizen, sollten doch wirklich passieren dürfen, denn das wusste ich doch auch, daß sie die Zensur passieren. Und da es nur privat Dich anging, verstehe ich einfach nicht, daß man Dir wegen meines Briefes Schwierigkeiten machte. Ich glaube, wenn ich es nötig hätte, Dir irgendwel. Heimlichkeiten zuzuführen, daß das nicht so einfach ginge. Abgesehen daß ich nicht wüsste, welche Geheimnisse ich von Dir hätte, wo ich ledigl. jetzt die einzige Brücke für Dich bedeute, die [die] einzige Verbindung zwischen Dir u. der Außenwelt herstellt. Entschuldige darum, wenn ich durch meine Harmlosigkeit Dir die Haftzeit gegen meinen Willen verlängert haben sollte. Gott schenke Dir Kraft zum aushalten. Noch glaube ich, daß Du nicht getan hast, was Dir viel Leid und Strafe einbringen könnte."[31]

    Möglicherweise handelte es sich aber um Namen, die Frischmeyer bereits in seinen Briefen an Starke genannt hatte. Vielleicht ging Starke in seinem Brief vom 12. Oktober 1934 daher davon aus, daß den Ermittelnden diese Namen bekannt waren, und antwortete Frischmeyer daher auf seine Fragen. Gleichzeitig forderte er Frischmeyer aber auf, keine weiteren Namen zu nennen. Diese Tatsache spricht dagegen, daß Starke naiv Namen ausplauderte. Da er sich offensichtlich getäuscht hatte und die Verfolger erst durch seinen Brief auf die anderen Männer aufmerksam wurden, weil bei der Zensur der ausgehenden Post in diesem Fall wohl weniger Argwohn geherrscht hatte, versuchte Starke dann in seinem Brief vom 22. Oktober 1934 den Schaden wiedergutzumachen. Gleichzeitig gelang es Starke aber auch, das was er Frischmeyer über Thodes Verhalten und das Verhalten von Thodes Umfeld, zum Beispiel das Beziehungsende mit der vermeintlichen Tänzerin und der Lebenswandel der "Lieschen", mitteilen wollte, im Brief zum Ausdruck zu bringen. Die Zensur passierte der Brief allerdings erneut nicht. Dafür, daß Starke keinesfalls naiv war, spricht auch, daß er Frischmeyer in seinen Schreiben als "Lieber Onkel", als "Lieber Onkel H[ugo]" und schließlich am 22. Oktober 1934 mit "L[ieber] H[ugo]" anredete. Vielleicht handelte es sich in den beiden ersten Fällen um den Versuch, eine Verwandtschaft zu Frischmeyer zu suggerieren, die weniger auffällig erscheinen sollte, als wenn ein Freund einem gleichgeschlechtlich orientierten Mann geschrieben hätte. Nach dem Verhör bei der Kriminalpolizei hatte das Tarnen seinen Sinn verloren. Frischmeyer seinerseits bezeichnet Starke im Verhör als "guten Freund".

    Seine Solidarität mit dem im Gefängnis sitzenden Frischmeyer, das von Starke als "Haus der Grauens" bezeichnet wird, brachte Starke auch explizit zum Ausdruck: "Nun Kopf hoch und Mut". Auch die beiden selbstverfaßten Gedichte "Leid" und "Freundschaft", die dem Brief vom 22. Oktober 1934 beigefügt sind, sollen Frischmeyer Mut machen. Starke thematisiert in den Gedichten sowohl die Verfolgungssituation als auch das solidarische Zueinanderstehen. "Freundschaft heißt: in leiddurchwob'nen Tagen / Starken Herzens and'rer Lasten tragen / Sonnenschein und Freude festzuhalten / Trübe Stunden sonnig zu gestalten! / Freundschaft heißt: nicht alles gut zu heißen / Unkraut aus des Freundes Garten reißen / Doch behutsam, dass kein Blümlein stirbt / Keines mit dem Unkraut gar verdirbt! [...] Wenn das Schicksal manches auch zerbricht / Freundschaft wankt im Daseinskampfe nicht!"

    Frischmeyers Verfahren wurde vom Landgericht in der Hauptverhandlung am 17. Januar 1935 nach langer Untersuchungshaft aufgrund des Straffreiheitsgesetzes vom 7. August 1934 eingestellt, die Staatsanwaltschaft hatte acht Monate Gefängnis gefordert.[32]

    Ein weiterer, vermutlich literarisch-fiktiver Text ist von Starke überliefert. Er beschreibt die Schließung eines Freundschaftsbundes, "gleich einer Trauung vor Gott für alle Zeiten", zwischen zwei Männern. "Carlo war aufgelöst, unter Tränen wollte er verzweifeln, er wollte allen Ernstes mit sich Schluß machen. Gott gab mir Kraft, ihn zu halten und zu trösten, trotz meiner eigenen tiefen Erschütterung. Ich find wieder einen Weg. Ich ging eines Tages in das Restaurant, wo W. zu Mittag speiste. Dort hatte ich eine lange Unterredung mit ihm, deren Erfolg die völlige Aussöhnung der Freunde war. Nie hat Carlo mir größer und heiliger treue Dankbarkeit versprochen, wie an diesem Versöhnungstage. Ich war so glücklich, in dieser schönen Mission mitgeholfen zu haben, mit Gottes Hilfe. Nun folgten Monate des Glücks für Beide. Am 4. Advents-Sonntag sollte in meiner Wohnung der Freundschaftsbund gleich einer Trauung vor Gott für alle Zeiten geschlossen werden. Die Freunde kamen festlich im Smoking und Lack, so feierlich, so ernst, so offenen Herzens vor dem aufgebauten Altar des Herrn, daß ich Gott pries, daß er mich so viel Schönes sehen ließ und an Stelle eines versagten Priesters er mir die Vollmacht gab, dieses Paar vor sein Antlitz zu bringen. Die Ringe sind sicherlich mit aufrichtigen Herzen gewechselt worden, Carlo weinte vor innerer Ergriffenheit, und unter feierlichem Harmoniumspiel gelobten sie Treue ihren Bund vor dem allmächtigen Gott. Nach dem feierlichen Zeremoniell, saß das Paar bei brennenden riesen Adventskerzen und festlich geschmückter Tafel inmitten einer erlesenen lustigen und großen Gesellschaft. Hier sehen wir im Bild das Paar, ihre Mienen verraten uns wohl genug."[33] Im Urteil, in dem der Text zitiert wurde, wird behauptet, daß es sich um eine Aufzeichnung aus den "Lebenserinnerungen", also möglicherweise um eine Tagebuchaufzeichnung, Starkes handelt. Vielleicht ist es aber auch ein Text, der für eine Veröffentlichung in einer Zeitschrift erdacht worden war, denn der letzte Satz spricht Leserinnen und Leser direkt an und verweist auf ein Bild; das Bild könnte auch gestellt sein, möglicherweise zeigt es aber auch das Festmal nach der Zeremonie.

    Unabhängig davon, ob es sich um die Schilderung einer realen oder fiktiven Situation handelt, läßt sich der Text als Ausdruck von "Normalseinwollen" gleichgeschlechtlich orientierter Männer interpretieren. Die Eheschließung, nur für Mann und Frau miteinander staatlich und kirchlich vorgesehen, wird hier von zwei Männern vollzogen. Die Adaptation des kirchlichen Eheschließungsideals drückt die Sehnsucht dieser gleichgeschlechtlich orientierter Männer, zumindest aber die von Starke, nach Anerkennung ihrer Lebensform aus. Gleichzeitig wird deutlich, daß die bestehenden Normen und Institutionen ein solches Verhältnis nicht tolerieren, denn ein Priester war nicht zugegen und so schlüpfte Starke in seine Rolle. Die Legitimität der formellen Besiegelung der Partnerschaft von "Carlo" und "W." wird hier direkt über Gott hergeleitet. Hierin könnte man sowohl eine Legitimation gleichgeschlechtlicher Liebe aus einem göttlichen Recht oder einem Naturrecht heraus als auch die Aberkennung der Rechte staatlicher und kirchlicher Institutionen in Fragen der freien Entfaltung der Persönlichkeit sehen. Somit ist das Anstreben der Institution Ehe durch zwei Männer in einer Zeit, in der gleichgeschlechtliche Sexualität zwischen Männer strafrechtlich verfolgt wurde und viele Männer versuchten, ihre Orientierung zu verbergen, durchaus auch als subversiv anzusehen, nicht zuletzt, weil sie in dieser Gesellschaft eine sehr weit entfernte Utopie markiert. Genauso deutlich tritt aber auch der Konformitätsgedanke aus dem Text hervor: Es verhält sich alles so, wie bei einer gemischtgeschlechtlichen Partnerschaft, nur mit dem Unterschied, daß beide dem gleichen biologischen Geschlecht angehören. Der Konformitätsgedanke wird auch durch das implizit angeführte Monogamie-Ideal unterstrichen.

    Dafür, daß Starke das Bedürfnis hatte, "normal" zu sein, spricht auch eine seiner Aussagen am 17. Februar 1937 bei der Verhandlung gegen ihn. Hier gab er an, er " sei gewissermaßen 'keine begehrenswerte Partie mehr' gewesen. Er hätte die geschminkten Homosexuellen und gewisse in den Kreisen der Homosexuellen üblich gewordene Aufmachungen selbst sehr mißbilligt, deshalb sei er in diesen Kreisen auch als 'Moralfatzke' bezeichnet worden. Er sei bei den Homosexuellen nicht sehr beliebt gewesen."[34] Obwohl dies in erster Linie als Schutzbehauptung anzusehen ist, wird doch deutlich, daß Starke gegen auffälliges Auftreten gleichgeschlechtlich orientierter Männer war. Unterstrichen wird dies auch durch eine Äußerung, die er gegenüber der Ermittlungshilfe der Strafrechtspflege am 27. Juli 1938 machte: "Seine ganze Art sei immer weichlich und weibisch gewesen. Er habe in späteren Jahren versucht, diese abzulegen, doch habe er es in vollem Umfang nie gekonnt."[35] Hierbei muß aber bedacht werden, daß die Ermittlungshilfe sich in ihren Fragen gängiger Stereotype bediente, Starke innerhalb dieser Kategorien befragte und nicht zuletzt die Formulierungen Starkes nur paraphrasierte.

    Verhalten bei den Verhören – Zeugnis einer selbstbewußten homosexuellen Identität zur Übersicht

    Aps und der verstorbene Jacobsen sind die einzigen Sexualpartner, die Starke in den Verhören namentlich angab. Es handelte sich hierbei um Fälle, die verjährt sind. Dies hinderte die Polizei in der Regel aber nicht daran, auch diese Männer zum Verhör vorzuladen, um so die nicht verjährten Fälle herauszufinden. Es ist zu vermuten, daß Starke auch die Nennung von Aps als unproblematisch ansah, da dieser vielleicht nicht mehr im Deutschen Reich lebte oder aus anderen Gründen nicht mehr erreichbar war. Sonst äußerte Starke nur: "Wieviel Partner ich sonst gelegentlich gehabt habe, kann ich tatsächlich nicht mehr angeben."

    Bereits bei früheren Verhören und Gerichtsverhandlungen hatte Starke die Namen seiner Partner verschwiegen und nur das zugegeben, was durch Aussagen anderer bekanntgeworden und nicht mehr abzustreiten war, obwohl er bei seiner Verurteilung am 17. Februar 1937 auch geäußert hatte, bis 1929 "in sehr ausgedehnten Maße" Geschlechtsverkehr mit Männern gehabt zu haben. Als Grund für sein Schweigen gab Starke am 2. Juli 1938 bei der Kriminalpolizei an, daß er "es als unfein empfinde, wenn man seine Partner, mit denen man sich früher einmal amüsiert hat, jetzt einfach anprangern würde." Obwohl viele gleichgeschlechtlich orientierte Männer ihre Sexualpartner in den Verhören nicht preisgaben oder, wie Starke, nur solche angaben, die sie als vor einer Strafverfolgung geschützt ansahen, ist Starkes Aussage in dieser offensiven Deutlichkeit einmalig, andere Männer verhielten sich bei den Verhören eher defensiv. Es gab aber auch viele Männer, die dem Druck der Verhöre nicht standhalten konnten und eine Vielzahl von Sexualpartnern preisgaben, einige legten gar eine "Lebensbeichte" ab.

    Nicht nur über die Aussage, keine Partner angeben zu wollen, ärgerten sich Polizei und Staatsanwaltschaft,[36] denen selbstbewußte Verhaftete, die sich nicht devot der Macht des Verfolgungsapparates beugen wollten, suspekt waren. Besonders ereiferte sich der ermittelnde Kriminalassistent Höppner vom 24. Kriminalkommissariat darüber, daß Starke offensichtlich sein gleichgeschlechtliches Verhalten auf eine nicht-pathologische homosexuelle Identität zurückführte: "Starke ist im übrigen von sich selbst stark überzogen [überzeugt, St.M.]. Er ist eben homose­xuell, wie andere Leute heterosexuell. Aus seiner Veranlagung leitet er das Recht her, sich auf diesem Gebiete Befriedigung zu verschaffen."[37]

    Mit der Vorstellung einer entpathologisierten homosexuellen Identität, die noch dazu der Heterosexualität gleichwertig sei, bildete Starke eine Ausnahme. Viele Männer gaben in den Verhören an, nicht homosexuell veranlagt zu sein, keine Vorstellung davon zu haben, ob sie homosexuell seien oder nicht, oder sie versicherten, gegen die homosexuelle Veranlagung "angekämpft" zu haben. Sicherlich mag dies in vielen Fällen ein Zugeständnis an die Verfolgungssituation gewesen sein, die auch das Schema "homosexuell veranlagt" – "normal veranlagt" vorgab. Gleichzeitig ist die Beteuerung, "dagegen angekämpft" zu haben oder nur unter Einfluß von Alkohol mannmännliche Sexualhandlungen zu haben und keinesfalls "homosexuell veranlagt" zu sein, auch Ausdruck der Hoffnung auf eine milde Bestrafung. Trotzdem ist anhand des vorliegenden Materials davon auszugehen, daß viele Männer für sich selbst keine positiv besetzte homosexuelle Identität hatten und nur gelegentlichen Sex mit Männern suchten.[38] Dies gilt insbesondere auch für verheiratete Männer, deren Frauen oft nichts von den gleichgeschlechtlichen Bedürfnissen ihrer Männer wußten, und die oft ein Doppelleben führten.

    Allein dadurch, daß Starke 1938 im Verhör den Begriff "heterosexuell" verwendete, widersetzte er sich den Schemata der Verfolger und stellte sich in die Tradition der emanzipatorischen Sexualwissenschaft eines Magnus Hirschfeld und in die Tradition der Verbände gleichgeschlechtlich orientierter Männer und Frauen, die eine "Natürlichkeit" der Homosexualität aufgrund ihres vermeintlichen Angeborenseins gegen das weitverbreitete Stereotyp, zur Homosexualität werde man "verführt", in die medizinische und öffentliche Auseinandersetzung trugen.

    Daß im öffentlichen Diskurs der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus die Klassifikation von Sexualverhalten deutlich von der Annahme einer Dichotomie einer normalen und einer von dieser abweichenden, anormalen sexuellen Veranlagung geprägt war (nicht etwa von einer Dichotomie homosexuell – heterosexuell), zeigt sich darin, daß der Begriff "heterosexuell" kaum bekannt war. So mußte ein anderer Angeklagter, der später weit bekannte Soziologe Werner Ziegenfuß, den verhörenden Polizisten erklären, was "heterosexuell" bedeutet: "Ich stelle es in Abrede, abnorm veranlagt zu sein. Ich bin heterosexuell veranlagt, ich will damit sagen, daß ich den Geschlechtsverkehr nur mit Frauen ausgeübt habe."[39] Das Wort war ursprünglich auch falsch im Protokoll geschrieben worden, ein weiteres Indiz dafür, daß es allgemein nicht bekannt war.

    Ob Starke schon während der 20er Jahre eine so deutliche Vorstellung einer positiv besetzten homosexuellen Identität hatte, ist unklar. Obwohl er Mitglied eines Verbands gleichgeschlechtlich orientierter Menschen war, scheint er in den 20er Jahren wegen seiner sexuellen Orientierung erpreßbar gewesen zu sein. Aus einem Brief Starkes an den Amtsrichter Gernet vom 22. März 1932 geht hervor, daß er Ende der 20er Jahre in die Hände eines Erpressers geraten war, der ihn wegen "Paragr. 175 [...] bis fast zum Ruin ausnützte."[40] Um den Erpresser bezahlen zu können, hatte Starke eine Unterschrift auf einem Buchbestellschein gefälscht, um so eine Provision von 35,- RM kassieren zu können. Dementsprechend war er vom Amtsgericht Hamburg am 13. Juni 1930 zu einer Strafe von 100,- RM oder zehn Tagen Gefängnis verurteilt worden. Vermutlich stehen auch die Verurteilungen wegen Betruges 1927 in Stade und 1931 in Harburg-Wilhelmsburg in Zusammenhang mit der Erpressung.[41]

    Vielleicht hatte das offene und klare Auftreten Starkes seit 1934 seine Ursache darin, daß er zu der Ansicht gekommen war, daß das Verbergen seiner gleichgeschlechtlichen Orientierung ihm mehr Probleme bereitete, als ein offenes Auftreten.

    Nicht nur Polizei und Staatsanwaltschaft sondern auch Richter Riebow und den Schöffen am Amtsgericht war Starkes positiv besetzte homosexuelle Identität suspekt. Dementsprechend stellte das Amtsgericht am 17. Februar 1937 fest: "Der Angeklagte ist auf dem Gebiet der Homosexualität etwa das, was man früher bei politischen Verbrechern 'Überzeugungstäter' zu nennen pflegte. Überzeugungstäter waren und sind Menschen, die moralisch wertvoller sein mögen als andere, deren Staatsgefährlichkeit aber beträchtlich größer ist. Starke ist ein Mann, der ohne Zweifel gefährlich ist." So wurde Starke auch zu der harten Strafe von neun Monaten Gefängnis verurteilt, obwohl er nur wegen einer einmaligen Sexualhandlung mit einem Mann angeklagt war.[42] Auch bei einer weiteren Verurteilung am 31. August 1938 bescheinigte Richter Riebow, der wiederum die Verhandlung leitete, daß Starke ein "gefährlicher Homosexueller" sei. Diesmal wurde die drakonische Strafe von drei Jahren Gefängnis verhängt, obwohl wiederum nur eine Verurteilung in einem Fall, nämlich mit Hünfeldt, möglich gewesen war.[43] Das Strafmaß entsprach dem Strafantrag des Staatsanwalts, der in beiden Fällen der schon erwähnte Sonderdezernent Siemßen war. Anhand der bisher gesichteten Akten ist aufgefallen, daß diese beiden Juristen quasi im Team, der eine als Anklagender, der andere als Verurteilender, zu deutlich höheren Strafen griffen, als dies in anderen Zusammensetzungen der Fall war. Agierte einer der beiden mit einem anderen Staatsanwalt bzw. Richter, fielen die Strafen nicht so hoch aus.

    Die Vorstellung, daß Homosexuelle Staatsfeinde seien, die sich in anderen Urteilen deutlicher findet, hatte Richter Riebow vom Leiter des Sonderkommandos Nord der Gestapo übernommen: "Der Zeuge [Kriminalkommissar Kanthack] hat etwa angeführt, daß sich nach den Vorgängen des Juli 1934 (Röhm-Affäre) herausgestellt hätte, daß die Homosexualität eine Staatsgefahr großen Umfangs geworden sei. Die Gründe dafür seien in erster Linie in der Sittenverrohung der Nachkriegszeit zu suchen. Der Bund für Menschenrechte, an dessen Spitze der bekannte jüdische Arzt Dr. Magnus Hirschfeld gestanden habe, hätte einen bedenklichen Einfluß auf das öffentliche Leben in der Reichshauptstadt ausgeübt. Man hatte sogar versucht, auf Polizei und Justiz Einfluß zu gewinnen zum Schutze der Homosexuellen. Nach den Erfahrungen des Zeugen sei wirkliche Homosexualität relativ selten. Der wirkliche Homosexuelle sei an sich keine erfreuliche Erscheinung, er sei leicht allen möglichen Einflüssen ausgesetzt und bedeutete auch eine Gefahr für die Jugend. Weit gefährlicher aber seien die sogenannten bisexuellen Leute, die mit Frauen verkehren könnten und möchten, häufig sogar verheiratet seien und doch außerdem sich homosexuell betätigen. Geborene Bisexuelle gäbe es aber noch seltener als geborene Homosexuelle. Meist seien diese Leute durch irgendein homosexuelles Erlebnis von ihrer Triebrichtung abgeglitten."[44]

    "Die Transformierung der Homosexuellen zum politischen Feindbild" durch den Machtapparat des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, die durch führende Mitarbeiter des Geheimen Staatspolizeiamts (Gestapa) in Berlin ideologisch untermauert und insbesondere über die SS-Zeitung "Das schwarze Korps" in der ersten Jahreshälfte 1937 verbreitet wurde, hat Peter von Rönn 1998 ausführlich dargestellt.[45] Anhand Kanthacks Aussage vor Gericht können wir sehen, daß diese Position bereits im Sommer 1936 im Gestapa, dessen Mitarbeiter Kanthack war, vorherrschte. Die Ursache für die Erklärung der Homosexuellen zu Staatsfeinden sieht von Rönn sowohl in dem Bestreben der SS nach außerstaatlichem Machtzuwachs als auch in der Angst der männerbündischen NS-Organisationen vor Homosexualität begründet.[46]

    Wie gering das Wissen der Verfolgungsbehörden über die Verbände gleichgeschlechtlich orientierter Männer und Frauen dann letztlich doch war, zeigt sich unter anderem daran, daß Magnus Hirschfeld eben nicht Vorsitzender des BfM, sondern des WhK gewesen war.

    Typisch für die Verhörsituation ist auch, daß Starke, wie viele andere Männer auch, als Sexualhandlung nur "wechselseitige Onanie" angab, die bis 1935 straffrei war. Im Gegensatz zu Burkhard Jellonnek halte ich die Angaben der Verhörten aber nicht für ein Abbild tatsächlich stattgefunden habender Sexualhandlungen,[47] sondern sehe darin den Versuch, möglichst "wenig" zuzugeben. Daß "wechselseitige Onanie" auch nach 1935 von den Verfolgern zu den weniger verwerflichen Praktiken gezählt wurde, zeigt sich an Formulierungen wie "die besonders ekelhaften Formen des Afterverkehrs und des Mundverkehrs sind ihm in jeder Hinsicht vertraut gewesen",[48] die sich in ähnlicher Form in einer Vielzahl von Urteilen finden. Lediglich gemeinsame Masturbation als Sexualpraktik anzugeben, ist also in erster Linie als Schutzmechanismus zu deuten.

    Die Akten der Verfolger sind auch durch eine Reduktion auf das Sexuelle gekennzeichnet; selten enthalten sie Informationen über Zärtlichkeiten, Küsse, die Struktur von Beziehungen oder gar Liebe. Wie verwundert die Verfolger waren, wenn ein Mann über Liebe zu einem anderen Mann sprach, zeigt sich in folgender Urteilsformulierung: "Zwischen Jensen und Fischer hat sich ein homosexuelles Verhältnis angesponnen, das Jensen in seiner femininen Art als 'Liebe' bezeichnet."[49] Auch die Zuschreibung von Weiblichkeit oder als weiblich angesehener Eigenschaften ist für die Verfolger nicht untypisch, die wiederum allgemein verbreitete Stereotype reproduzierten.

    Denunziationen aus der Bevölkerung zur Übersicht

    Charakteristisch für das Schicksal Heinrich Erich Starkes ist auch, daß zwei der drei Verurteilungen auf eine Denunziation zurückgingen, lediglich die erste Verurteilung war Folge einer polizeilichen Maßnahme, auch hier kann man aber von einer Böswilligkeit ausgehen: Am Abend des 11. Juni 1932 saß Starke mit einem Mann auf einer Parkbank im Sternschanzenpark, "und [wir haben] uns dort zärtlich genähert." Starke betont ausdrücklich, daß sie keinerlei sexuelle Handlungen ausgeführt hätten, sie haben sich also gestreichelt und geküßt.[50] Dies erregte die Aufmerksamkeit eines vorbeigehenden Polizisten, der die beiden Männer dann längere Zeit unbemerkt beobachtete und sie wegen "Erregung öffentlichen Ärgenisses" festnahm, als sie in ein Gebüsch gingen.

    Die anwesende "Öffentlichkeit" umfaßte aber nur die Person des Polizisten, der sich versteckt hielt. Starke wurde am 13. September 1932 zu fünf Tagen Gefängnis bzw. zur Zahlung von 50,- RM verurteilt. Sein Partner, der 28jährige Arbeiter Johannes Kühlsen wurde zu drei Tagen Gefängnis bzw. 30,- RM Geldstrafe verurteilt, jedoch in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht am 3. Januar 1933 freigesprochen, weil er als "Ehemann und Familienvater mit seiner derb-knochigen Erscheinung nichts von dem Typus eines passiven Homosexuellen an sich hat." Er sei "ein äußerst unbeholfener und hochgradig beschränkter Mensch", der "in Folge seiner geistigen Schwerfälligkeit gar nicht gemerkt hat, um was es sich eigentlich handelte." Starkes Berufung wurde verworfen, da er nicht vor Gericht erschienen war; im Urteil wird jedoch ausgeführt, daß man Starke als angeblich treibenden Teil nicht freigesprochen hätte.[51]

    Diese Verurteilung zeigt, daß auch während der Weimarer Republik eine juristische Verfolgung gleichgeschlechtlich orientierter Männer stattfand, die aber in der Forschung bisher nicht beachtet worden ist. Neben dem § 175, auf den die historische Forschung, beeinflußt durch den Kampf der Schwulenbewegung der Bundesrepublik für die Streichung eben dieses Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch, einen besonderen Augenmerk gelegt hat, waren es aber auch die §§ 183 ("Erregung öffentlichen Ärgernisses") und 185 (in diesem Zusammenhang "Tätliche Beleidigung"), mit denen mannmännliches Sexualverhalten verfolgt wurde. Dies gilt nicht nur für die Zeit vor der Verschärfung des § 175, 1935, sondern auch für die ganze NS-Zeit. Auch in der Weimarer Republik gab es Razzien in Bedürfnisanstalten und in Strichjungen-Lokalen.[52] Hierzu paßt auch Starkes Bemerkung in der Verhandlung, er habe keinen Sexualkontakt im Sternschanzenpark gesucht, sondern er sei in den Park gegangen, "um Polizeibeamte, die Homosexuelle in ihrer Liebe zu stören pflegten, beobachten und feststellen zu können." Kühlsen habe ihm dabei helfen wollen. Dies ist sicherlich auch eine Schutzbehauptung, zeigt aber doch, daß neugierige Polizisten von gleichgeschlechtlich orientierten Männern als Ärgernis und ihr Auftreten als Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit angesehen wurde. Interessant ist in diesem Zusammenhang insbesondere, daß das Gericht Starkes Ausführungen zwar nicht glaubte, sie aber auch nicht moralisch beurteilte oder als absurd darstellte.[53]

    Zu Starkes Verurteilung 1937 kam es, weil er mit einem Niederländer, den er in einem Lokal auf der Reeperbahn kennengelernt hatte, in einem Zimmer einer Pension Sex hatte. Die beiden wurden offensichtlich vom Portier der Herberge angezeigt. Denunziationen durch Portiers von Nachtquartieren waren keine Seltenheit: So rief beispielsweise der Portier des Logierheimes Concordia (später: Fremdenheim St. Pauli), Max Reimer (Jahrgang 1890/1891) in mindestens zehn Fällen die Polizei, nachdem er zumeist selber ausgiebig die intimen Sexualhandlungen der Männer beobachtet hatte.[54] Seine Kollegen Karl Fröhlich (Jahrgang 1881) und Kornsmann (Jahrgang 1891) riefen gleichfalls die Polizei, wenn sie den Verdacht hatten, daß zwei Männer Sex miteinander haben könnten.[55] Ebenso voyeuristisch verhielt sich Frau V., die Starke der Polizei auslieferte. Auch sie hatte ihren Untermieter Hünfeldt über Wochen bei Geschlechtsverkehr mit verschiedenen Männern durch das Oberlichtfenster in seiner Zimmertür beobachtet, durch das sie blicken konnte, wenn sie sich auf eine Türleiste stellte. So konnte sie der Polizei klare und detaillierte Angaben über Zahl und Art der Sexualkontakte Hünfeldts und seine Partner machen.[56]

    Denunziationen durch unbeteiligte Dritte waren keine Seltenheit. Etwa ein Viertel aller Verurteilungen, die ich bisher untersucht habe, gingen auf eine Denunziation Dritter zurück. Zwei besonders böswillige Beispiele sind zwei anonyme Briefe an die Polizei: "An die Geheime Staatspolizei Hamburg Stadthaus [/] Wir machen Sie hiermit auf das homosexuelle Treiben und das Zusammenleben mit einem Freunde, wie Mann u. Frau, des Herrn Ladislaus Kaspersky, aufmerksam. Wohnhaft in Hamm Sorbenstraße 14. Arbeitet im Kurbad Esplanade. Wie wir erfuhren, wollen beide ins Ausland. Es liegt uns daran, daß selbe aus der Wohnung und dem Haus heraus kommen. Einige Anwohner."[57] In einem weiteren Brief von 1941 an die Kripo, mit dem eine gleichgeschlechtlich orientierte Frau und ein gleichgeschlechtlich orientierter Mann, die als Verlobte zusammenleben, denunziert wurden, heißt es: "Ich bitte, das Absteigequartier bei B., [...] auszuheben. Dort selbst wohnt ein 'Mann-Weib' und nimmt des Nachts nur 'ihresgleichen', oft mehrere, mit in Quartier. Es ist in der heutigen Zeit nicht wohl nicht angebracht, daß Treiben im Sinne § 175 (à la Röhm) zu fördern. Da im gleichen Haushalt minderjährige Kinder leben, ist ein sofortiges Eingreifen geboten. Es ist unserer Jugend wohl nicht dienlich, solches Treiben mitanzusehen."[58]

    Zählt man zu den Denunziationen Dritter jene Anzeigen von Männern hinzu, die von gleichgeschlechtlich orientierten Männern gefragt wurden, ob sie nicht mit ihnen schlafen wollten, und die nicht wirklich als deren "Opfer" anzusehen sind, scheint fast die Hälfte aller Ermittlungen auf Denunziationen zurückgegangen zu sein. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf verwiesen, daß diese Zahlen bestenfalls Tendenzen ausdrücken können, da das vorliegende Material nicht mehr seriös statistisch auswertbar ist. Da die Zahl aber so hoch ist, halte ich es für legitim festzuhalten, daß Denunziationen ein wesentlicher Ermittlungsgrund gewesen sind.

    Giesela Diewald-Kerkmann hat 1995 für die Verfolgung politischer Delikte im Nationalsozialismus herausgearbeitet, daß die Gestapo ohne die aktive Mithilfe und die massive Denunziationsbereitschaft der Bevölkerung nie in der Lage gewesen wäre, so viele Menschen zu verfolgen.[59] Dies gilt ebenso für die Verfolgung gleichgeschlechtlich orientierter Männer, die ohne die freiwillige Mithilfe der Bevölkerung eine deutlich geringere Effektivität gehabt hätte.

    August Hünfeldt überlebte die Auslieferung durch seine VermieterInnen an den Verfolgungsapparat nicht, er starb 1942 in der "Heil- und Pflegeanstalt" Langenhorn, in der er nach Absitzen einer anderthalbjährigen Gefängnisstrafe auf gerichtliche Anordnung hin zwangsweise untergebracht worden war.[60] Daßs es aber viele mit gleichgeschlechtlich orientierten Männern solidarische Menschen gab, zeigt das Verhalten von H.E. Starkes Vermieterin, der 68jährigen Witwe Lisette Reins, die ihn im Polizeiverhör als ordentlich und zurückgezogen beschreibt und betont, daß er nur geschäftliche Besuche empfange. Kriminalassistent Höppner vermerkt in einer Notiz: "Ich hatte aber das Gefühl, daß Frau Reins auch nichts sagen würde, wenn sie tatsächlich etwas wüßte."[61] Es liegt die Vermutung nahe, daß Frau Reins sehr wohl über Starkes sexuelle Orientierung informiert war und ihn deckte. Auch fand sich bei der Hausdurchsuchung am 17. Juni 1938 in Starkes Wohnung keinerlei belastendes Material. Vielleicht hatte er keines, da er durch die Hausdurchsuchung 1936 gewarnt war, vielleicht hat Frau Reins es aber auch verschwinden lassen.

    Unklar bleibt, warum Starke überhaupt Opfer der Denunziation von Herta V. werden konnte. Sie gibt in ihrer Aussage die Vermutung zu Protokoll, daß Starke sich bei einer ihr bekannten Kaffeestuben-Besitzerin nach Hünfeldt erkundigt hatte und wußte, daß Hünfeldt durch V. an die Polizei verraten worden war. Trotzdem ging Starke zu V.s und vertraute Herta V. offensichtlich. Möglicherweise handelte es sich bei dem Mann, der nach Hünfeldt in der Kaffeestube fragte, nicht um Starke, denn Starke war zumindest so vorsichtig gewesen, daß er sich Frau V. bei seinem ersten Besuch bei Hünfeldt unter falschem Namen vorgestellt hatte, im Gegensatz zu vielen anderen Besuchern Hünfeldts.

    Schutzhaft, Gefängnis und Konzentrationslager zur Übersicht

    Heinrich Erich Starke wurde dreimal zu Gefängnisstrafen verurteilt: 1931 zu sechs Wochen, am 17. Juni 1937 zu neuen Monaten, die er am 4. Mai 1937 unter Anrechnung der U-Haft abgesessen hatte, und am 31. August 1938 zu drei Jahren Gefängnis, die auch vom Landgericht als Berufungsinstanz am 24. September 1938 bestätigt wurden. Aus den Quellen gehen sechs Hinweise auf Gestapo-Haft hervor.[62] Die erste vom 8. bis zum 24. August 1936 fällt in die Zeit der Tätigkeit des Gestapo-Sonderkommandos in Hamburg und dürfte einem Haftbefehl vorausgegangen sein. Die Verhängung von "Schutzhaft" war auch ein übliches Beugungsinstrument der Polizei, bis man ein Geständnis abgepreßt hatte und ein Richter einen Haftbefehl erließ. Danach kam Starke in U-Haft und wurde schließlich im Februar 1937 vom Amtsgericht verurteilt. Die lange Zeit zwischen Verhaftung und Urteilsspruch kann zwei Gründe haben: Zum einen wurde eine Vielzahl von Fällen in dieser Zeit angeklagt und verurteilt, da das Gestapo-Sonderkommando und in Fortsetzung die Hamburger Gestapo ihre Verfolgungstätigkeit auf eine Gruppe, die bisher kaum von Verfolgung betroffen war, konzentriert hatte und so eine Vielzahl von gleichgeschlechtlich orientierten Männern ermittelt und festgenommen hatte. Zum anderen läßt sich vermuten, daß Starke, dessen Mitgliedschaft im BfM bekannt war, besonders lange und oft verhört wurde, bis man sich schließlich mit der Anklage des einen Falles, der ihm nachzuweisen war, begnügen mußte. Im Januar und Februar 1938 befand sich Starke erneut in Gestapo-Haft, er war von einem Sexualpartner angegeben worden, das Verfahren wurde jedoch aufgrund des Amnestiegesetzes vom 7. August 1934 eingestellt.[63] Die Gestapo-Haft vom 18. bis zum 24. Juni 1938 war die Folge der Denunziation durch Herta V., danach schlossen sich U-Haft und Gefängnisstrafe an. Die dreijährige Gefängnisstrafe verbrachte Starke in Hamburg, Wolfenbüttel, in den Emslandlagern Oberlangen, Vassen und Neusustrum. Ein Gnadengesuch wurde am 8. Januar 1941 abgelehnt. Vom 17. bis zum 26. Juli 1940 wurde die Strafhaft durch eine Gestapo-Haft unterbrochen, möglicherweise um Starke erneut zu verhören. Am 10. Juli 1941 wurde er von der Strafanstalt Emden in das Hamburger Polizeigefängnis in Hütten "überstellt", für den 15. Juli bis zum 5. September 1941 ist wiederum Gestapo-Haft nachweisbar.[64] Nunmehr ist die "Schutzhaft" in erster Linie als polizeiliche Maßnahme anzusehen, Menschen ohne richterliche Anordnung in Gefangenschaft zu halten. Weitere Hinweise auf die Haft Starkes ist nicht überliefert, es ist aber davon auszugehen, daß er 1941 oder 1942 in das KZ Neuengamme deportiert wurde.

    Dafür daß jemand für Starke in dieser Zeit dagewesen ist, wie er für Hugo Frischmeyer während seiner Haft gesorgt hatte, gibt es keine Anhaltspunkte. In zwei Strophen des Gedichts "Leid" mag er sein eigenes Schicksal selbst vorweggenommen haben: "Erneut drückt Sorge auf mein Herz / Von Last sind die Arme schwer / Des Glaubens Zauber, dem ich sonst / Nicht widerstand, galt nichts mehr. [...] Was auch geschehen mag, ich will / hindurch durch diese Not! / Ach – diese Schatten – halte still - / Licht! Leben oder Tod?"[65] Während das Gedicht mit einem optimistischen Schluß endet, hat Starke den Terror des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates nicht überlebt. Das Totenbuch Neuengamme nennt "Erich Starke, Wilhelmshaven, * 30.05.01 + 28.06.42".[66]

    [1] Alle Privatpersonen, die nach dem 1. Januar1909 geboren wurden und von denen kein Todesdatum überliefert ist, sowie solche, deren Lebensdaten unbekannt sind, wurden anonymisiert. Die genannten Abkürzungen der Nachnamen entsprechen nicht dem Initial des tatsächlichen Nachnamens.

    [2] Es ist nicht mehr möglich, eine präzise Angabe über die Zahl der wegen homosexueller Handlungen im Nationalsozialismus verurteilten Männer zu machen, weil bei der Vernichtung zahlreicher Gerichtsakten aus dem Nationalsozialismus in den 80er und 90er Jahren keine Listen der kassierten Akten angefertigt wurden. Aufgrund der unprofessionellen und fehlerhaften Aktenauswahl ist auch keine quantitative Untersuchung des noch vorhandenen Materials mehr möglich. Zu der Aktenvernichtung im Auftrage des Hamburger Staatsarchivs (StA (Hamburg)) siehe meinen Beitrag "'Verfahren nach § 175 übertrafen in ihrer Häufigkeit die Verfahren gegen andere Verfolgte erheblich' – daher wurden sie vernichtet. Zum Umgang des Hamburger Staatsarchivs mit NS-Justizakten" in diesem Band, S. 112-121.
    Bei der Zahl 3.500 handelt es sich um eine vorläufige grobe Schätzung aufgrund meiner bisherigen Bestandskenntnis. Dabei sind verschiedene Faktoren berücksichtigt worden: Es sind noch ca. 1.850 Akten nach § 175 aus den Reponierungsjahrgängen 1935-48 überliefert. (Aufstellung des Hamburger Staatsarchivs v. 29.6.1998.) Wegen möglicher Fehler bei den Verzeichnungsarbeiten kann sich diese Zahl noch geringfügig verändern. Hinzu kommen ca. 100 Akten hinsichtlich gleichgeschlechtlicher Handlungen zwischen Männer nach §§ 174, 183, 185, ohne § 176 StGB. Im Dezember 1996 wurde vom Hamburger Senat die Zahl der vorgefundenen Akten nach §§ 175, 175a im Teilbestand 1935 bis 1949 mit 2.843 angegeben. Damals war aber ein kleiner Teil des Aktenbestandes noch nicht bearbeitet. (vgl. Hamburger Bürgerschaft: Drucksache 15/6679 v. 20.12.1996.)
    Präzise Angaben zur Zahl der vorgefundenen Akten kann das Hamburger Staatsarchiv nach zwei Jahren nicht machen. (Briefe von Claus Stukenbrock, Staatsarchiv Hamburg, an den Autor v. 12.10.1998 u. 20.10.1998.] Aufgrund der vorliegenden Zahlen schätze ich, daß noch ca. 80 Fälle hinzugerechnet werden sollten. Einige Männer wurden mehr als einmal verurteilt. Die Reponierungsjahrgänge 1933-35 sind noch nicht bzw. noch nicht vollständig ausgewertet. Ich schätze für diese Jahrgänge ca. 150 Akten nach § 175 StGB sowie bezüglich homosexueller Handlungen nach §§ 174, 183, 185 StGB. Auch gab es in vielen Verfahren mehr als einen Verurteilten. Es handelt sich also bei der Zahl 3.500 um eine sehr grobe Schätzung mit sehr vielen Unbekannten.

    [3] Einen sehr guten Überblick über die Verfolgung "Homosexueller" im Nationalsozialismus, der weit über den Rahmen einer lokalgeschichtlichen Studie hinausgeht, gibt Frank Sparing: "... wegen Vergehen nach § 175 verhaftet." Die Verfolgung der Düsseldorfer Homosexuellen während des Nationalsozialismus. Düsseldorf 1997.

    [4] Die Strafjustizakten aus der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus befinden sich zum Teil noch bei der Hamburger Staatsanwaltschaft (Reponierungsjahrgänge 1930-35), zum Teil liegen sie im Hamburger Staatsarchiv. StA (Hamburg), Staatsanwaltschaft Landgericht -Strafsachen, 213-11, Reponierungsnummer 9467/38.

    [5] Es handelt sich bei dem Verhörschema also vermutlich nicht um eine Hamburger Besonderheit, die es in anderen Städten nicht gegeben hat, wie Hans-Christian Lassen unbelegt behauptet (ders.:Fall 23, in: "Von Gewohnheitsverbrechern, Volksschädlingen und Asozialen ..." Hamburger Strafurteile im Nationalsozialismus. Hg.: Justizbehörde Hamburg. (Beiträge zur neueren Hamburger Justizgeschichte, Bd. 3). Hamburg 1995, S. 284-290, hier S. 287).

    [6] Vor dem Erscheinen der preußischen Gestapo war die Hamburger Kriminalpolizei für die Verfolgung Homosexueller zuständig, nicht die Gestapo, wie Hans-Christian Lassen vermutet (ders.: Der Kampf gegen Homosexualität, Abtreibung und "Rassenschande". Sexualdelikte vor Gericht in Hamburg 1933-1939. In: "Für Führer, Volk und Vaterland ..." Hamburger Justiz im Nationalsozialis­mus. Hg.: Justizbehörde Hamburg. Red.: Klaus Bästlein/Helge Grabitz//Wolfgang Scheffler (Beiträge zur neueren Hamburger Justizgeschichte, Bd. 1) Hamburg 1992, S. 216-289, hier S. 226).

    [7] StA (Hamburg), 221-10, Dienststrafkammer, D34/38, Akte Rudolf Förster.

    [8] Zur Geschichte der Polizei im Nationalsozialismus siehe z.B. Friedrich Wilhelm: Die Polizei im NS-Staat. Die Geschichte ihrer Organisation im Überblick. Paderborn/München/Wien/Zürich 1997. Helmut Fangmann/Udo Rufner/Norbert Steinborn: "Parteisoldaten". Die Hamburger Polizei im "3. Reich". Hamburg 1987.

    [9] Über Sexual-Delikte und sexuelle Triebrichtungen. Kurz gefaßte Erläuterung zum Dienstgebrauch für Beamte der Polizei, der Jugend-, Pflege- und Gesundheitsämter sowie für Lehrer und Erzieher. Von Kriminal-Oberinspektor Rudolf Förster, Hamburg (mit Genehmigung der vorgesetzten Behörde). Hamburg 1932, S. 29-32. Für den Hinweis auf die Broschüre und ihre Rezension danke ich Jens Dobler, Berlin.

    [10] Paul Weber: Polizei und Homosexualität, in: Das Freundschaftsblatt, Nr. 8, 28.2.1933, S. 1-2 (für den Hinweis auf die Broschüre und ihre Rezension danke ich Jens Dobler).

    [11] Vgl. Angaben in verschiedenen Verhören und erläuternden Texten Försters (StA (Hamburg), 221-10, Dienststrafkammer D34/38, Akte Rudolf Förster).

    [12] Eine ausführliche Darstellung folgt in meiner in Arbeit befindlichen Dissertation. Bisher wurde in der Forschung davon ausgegangen, daß überall im Deutschen Reich 1933 die Homosexuellen-Lokale geschlossen wurden. Ob die Schließung der Lokale nur für preußische Städte galt oder ob Hamburg die einzige Ausnahme im Deutschen Reich bildete, werden erst zukünftige vergleichende Untersuchungen nicht-preußischer Städte ergeben können. Zur Schließung der Lokale in preußischen Städten vgl. u.a.: Zweiter Runderlaß des Preußischen Ministers des Inneren v. 23.2.1933 [Zur Schließung von Gaststätten], dokumentiert in: Günter Grau (Hg.): Homosexualität in der NS-Zeit. Dokumente einer Diskriminierung und Verfolgung. Frankfurt am Main 1993, S. 56-58.

    [13] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9489/36, Aussage als Zeuge im Prozeß gegen Erich Jensen, Urteil v. 25.8.1936 (auch dokumentiert bei Lassen, Kampf gegen Homosexualität (Anm. 6), S. 241-245).

    [14] So gab es einen Erlaß Heinrich Himmlers, dem Reichsführer SS und dem Chef der Deutschen Polizei, v. 20.7.1936, nicht gegen Ausländer wg. Verstoß gegen § 175 vorzugehen. Dokumentiert bei Grau (Anm. 12), S. 88.

    [15] Ich werde dies in meiner Dissertation ausführlich darlegen. Vgl. auch Bettina Ramm: Die Verfolgung der Homosexuellen in der Zeit des Nationalsozialismus, dargestellt am Beispiel Hamburgs. Unveröffentlichte Magistra-Arbeit, Göttingen 1995.

    [16] Zum Beispiel StA (Hamburg), 213-11, Rep. 29501/48, Verhör von Dr. Kuno Voß am 6.6.1947.

    [17] Zu methodischen Fragen siehe u.a. Winfried Schulze: Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte?, in: Bea Lundt/Helma Reimöller (Hg.): Von Aufbruch und Utopie. Perspektiven einer neuen Gesellschaftsgeschichte. Für und mit Ferdinand Seibst aus Anlaß seines 65. Geburtstages, Köln/Weimar/Wien 1992, S. 417-450. Zum methodischen Umgang mit Schriftstücken der Verfolger vgl. auch Bernd-Ulrich Hergemöller: Sodomiter im Mittelalter. Fallstudien aus Kriminalakten. Vortrag vor den Schwullesbischen Studien Bremen v. 12.1.1998. Unveröffentlichtes Typoskript, S. 10-12.

    [18] Für die wichtigen Anregungen und Hinweise danke ich ganz herzlich Ulf Bollmann und Peter von Rönn.

    [19] Sofern nicht anders angegeben, entstammen die biographischen Angaben StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9467/38, Aussage bei der Kripo, 24. Kommissariat, am 17.6.1938.

    [20] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 2905/37, Urteil gegen H.E. Starke v. 17.2.1937.

    [21] Zur Geschichte des WhK, der GdE und des DFV/BfM siehe Manfred Herzer: Das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee, in: Goodbye to Berlin? 100 Jahre Schwulenbewegung. Eine Ausstellung des Schwulen Museums Berlin und der Akademie der Künste. Berlin 1997, S. 37-48; ders.: Das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee – Vom Institut für Sexualwissenschaften bis zur Selbstauflösung, in: Ebd., S. 83-86; ders: Adolf Brandt und Der Eigene, in: Ebd., S. 49-53; ders: Die Gemeinschaft der Eigenen, in: Ebd., S. 89-94; Andreas Sternweiler: Die Freundschaftsbünde. Eine Massenbewegung, in: Ebd., S. 95-104; Hans Georg Stümke: Homosexuelle in Deutschland. Eine politische Geschichte. München 1989, S. 21-91.
    Hinweise auf die Geschichte der Hamburger Ortsgruppe des DFV/BfM finden sich bei Wolfgang Voigt: Geschichte der Schwulen in Hamburg. In: Wolfgang Voigt/Klaus Weinrich (Hg.): Hamburg ahoi. Der schwule Lotse durch die Hansestadt. Berlin 1982, S. 5-49, hier S. 21-23.
    Die Konkurrenz zwischen den beiden großen Verbänden gleichgeschlechtlich orientierter Männer und Frauen in der Weimarer Republik ist in der Forschung noch nicht entsprechend gewürdigt worden. Zumindest für die Geschichte gleichgeschlechtlich orientierter Frauen ist er in Ansätzen untersucht. (vgl. Heike Schader: Das Rollenverhalten von 'Bubis' (virilen homosexuellen Frauen) in Berlin in den 1920er Jahren. Unveröffentlichte Magistra-Arbeit. Hamburg 1997, S.34-40; Kirsten Plötz: Einsame Freundinnen? Lesbisches Leben während der zwanziger Jahre in der Provinz. Hamburg 1999, S.54-63.

    [22] Urteil gegen H.E. Starke vom 17.2.37. StA (Hamburg), 213-11, Rep. 2905/37.

    [23] Postkarte von H.E. Starke an H. Frischmeyer vom 30.4.34. StA (Hamburg), 213-11, Rep. L189/35. Orthographie und Interpunktion, oft flüchtige Schreibfehler, wurden in allen Zitaten wegen der besseren Lesbarkeit an die damals gültige Rechtschreibung angepasst.

    [24] StA (Hamburg), 213-11, Rep. L189/35, Aussage Frischmeyer am 12.10.1934.

    [25] StA (Hamburg), 213-11, Rep. L189/35, Aussage H.E. Starke, o.D. [12.-22.10.1934, St.M.].

    [26] StA (Hamburg), 213-11, Rep. L189/35, Notiz des ermittelnden Polizisten, o.D. [12.-22.10.1934, St.M.].

    [27] StA (Hamburg), 241-2, Justizverwaltung, Personalakten, A 1817, Akte Oskar Lilienfeld.

    [28] StA (Hamburg), 213-11, Rep. L189/35, Brief von H.E. Starke an H. Frischmeyer v. 12.10.1934.

    [29] StA (Hamburg), 213-11, Rep. L189/35, Brief von H.E. Starke an H. Frischmeyer v. 22.10.1934.

    [30] StA (Hamburg), 213-11, Rep. L189/35, Brief von H.E. Starke an H. Frischmeyer v. 12.10.1934.

    [31] StA (Hamburg), 213-11, Rep. L189/35, Brief von H.E. Starke an H. Frischmeyer v. 22.10.1934.

    [32] StA (Hamburg), 213-11, Rep. L189/35, Urteil gegen Hermann Scheibel, Hugo Frischmeyer und Carl Boehrs v. 17.1.1935.

    [33] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 2905/37, Urteil gegen H.E. Starke v. 17.2.1937.

    [34] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 2905/37, Urteil gegen H.E. Starke v. 17.2.1937.

    [35] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9497/38, Ermittlungshilfe der Strafrechtspflege, Bericht v. 27.7.1938.

    [36] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9467/38, Notiz der Staatsanwaltschaft, o.D..

    [37] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9467/38, Notiz KA Höppner, K24, o.D. [18.6.1938, St.M.].

    [38] Diesen Aspekt werde ich in meiner Dissertation ausführlich beleuchten.

    [39] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 1447/41, Aussage Dr. Werner Ziegenfuß am 5.12.1939 bei der Gestapo, Berlin.

    [40] Akten der Staatsanwaltschaft Hamburg, Rep. 11307/30, Brief von H.E. Starke an Amtsrichter Gernet v. 22.3.1932 (diese Akte befindet sich noch im Hamburger Strafjustizgebäude).

    [41] Akten der Staatsanwaltschaft Hamburg, Rep. 11307/30. 1921 war Starke vom Vorwurf des Betruges freigesprochen worden.

    [42] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 2905/37, Urteil gegen H.E. Starke v. 17.2.1937.

    [43] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9467/38, Urteil gegen H.E. Starke v. 31.8.1938.

    [44] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9489/36, Urteil gegen Erich Jensen v. 25.8.1936. Die fehlerhafte Grammatik wurde beibehalten.

    [45] Peter von Rönn: Politische und psychiatrische Homosexualitätskonstruktion im NS-Staat, in: Zeitschrift für Sexualforschung, Heft 2, 11. Jg. 1998, S. 99-129 (Teil 1); Heft 3, 11. Jg. 1998, S. 220-260 (Teil 2).

    [46] Ebd., Teil 1, S. 109f., 115-119.

    [47] Burkhard Jellonnek: Homosexuelle unter dem Hakenkreuz. Die Verfolgung von Homosexuellen im Dritten Reich. Paderborn 1990, S. 205, 242, 305.

    [48] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 8373/36, Urteil gegen Alfred B. v. 11.9.1936.

    [49] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 8581/36, Urteil gegen Rudolf Fischer v. 15.9.1936.

    [50] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9467/38, Aussage H.E. Starke am 17.6.1938.

    [51] Akten der Staatsanwaltschaft Hamburg Rep. 16014/34 (die Akte liegt noch im Hamburger Strafjustizgebäude).

    [52] Die juristische Verfolgung mannmännlicher Sexualhandlungen in der Weimarer Republik werde ich in meiner Dissertation näher untersuchen. Die wenigen noch vorhandenen Hamburger Prozeßakten aus der Weimarer Republik sollen nach Abschluss der Auswertung des Teilbestandes der Akten der Staatsanwaltschaft, Reponierungsjahrgänge 1930-1935 vom Hamburger Staatsarchiv vollständig übernommen werden, allerdings ohne vorher von der Justizbehörde verzeichnet zu werden.

    [53] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 16014/34.

    [54] Vgl. Ramm (Anm. 15), S. 91. Einige Fälle sind StA (Hamburg), 213-11, Rep. 1876/36, 2282/36, 9286/36, 9489/36.

    [55] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 2761/36, 324/38.

    [56] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9467/38, Aussage Herta V. am 20.6.38.

    [57] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 1033/38, anonymer Brief an die Gestapo, o.D. gestempelt am 13.10.1938.

    [58] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 6776/41, anonymer Brief an die Kripo, 28.4.1941.

    [59] Gisela Diewald-Kerkmann: Denunziantentum und Gestapo. Die freiwilligen 'Helfer' aus der Bevölkerung, in: Gerhard Paul/Michael Mallmann (Hg.): Die Gestapo. Mythos und Realität. Darmstadt 1995, S. 288-305; dies: Politische Denunziation – eine "weibliche Domäne"? Der Anteil von Männern und Frauen unter Denunzianten und ihren Opfern, in: 1999, Heft 2, 1996, S. 11-35.

    [60] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 255/39.

    [61] StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9467/38, Notiz Kriminalassistent Höppner, o.D.

    [62] StA (Hamburg), 213-8, Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, Bände a bis e.; StA (Hamburg), 331-1II, Polizeibehörde II, Abl. 18.09.1984, Bd. 1.

    [63] Notiz der Staatsanwaltschaft, o.D.. StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9467/38.

    [64] Bescheinigungen der Strafanstalten für die Staatsanwaltschaft Hamburg. StA (Hamburg), 213-11, Rep. 9497/38. StA (Hamburg), 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, Bände a bis e. StA (Hamburg), 331-1II Polizeibehörde II, Abl. 18.09.1984, Band 1.

    [65] StA (Hamburg), 213-11, Rep. L189/35, Brief von H.E. Starke an H. Frischmeyer v. 22.10.1934.

    [66] Totenbuch Neuengamme. Hg.: Freundeskreis Neuengamme e. V. Wiesbaden, o.J., S. 99.


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    Micheler, Stefan:
    "... eben homosexuell, wie andere Leute heterosexuell".
    Der Fall Heinrich Erich Starke.
    In: KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hg.):
    Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus.
    Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland,
    Heft 5, Bremen 1999, S. 77-92.

    Gegenüber der veröffentlichten Fassung wurden hier Fehler des Lektorats korrigiert.


    http://www.stefanmicheler.de/wissenschaft/art_fallstarke_1999.html